S&S von Sanktionen gegen Russland betroffen

Mittelstandsverband sieht angesichts der Ukraine-Krieges steigende Energiepreise und Personalmangel als größte Herausforderung für die Wirtschaft im Unstrut-Hainich-Kreis.

Der Krieg in der Ukraine trifft auch die Wirtschaft im Unstrut-Hainich-Kreis. Hauptsächlich bereiten hiesigen Unternehmen die weiter steigenden Energiepreise und eine mögliche Personalknappheit Sorgen. Die Sanktionen gegen Russland wirken sich dagegen nur für wenige Betriebe direkt aus. Auch eingeschränkte Lieferketten sind hier, im Vergleich zu großen Industrieregionen, weniger das Problem.

Der Kreisverband des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW) für die Region Nordwestthüringen hat angesichts der Lage in Osteuropa seine Mitglieder befragt. Knapp 300 Unternehmen vertritt der Verband im Unstrut-Hainich-Kreis, dem Eichsfeldkreis und Teilen angrenzender Landkreise.

Vor allem im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, bei Bau- und Handwerksunternehmen sowie im Logistikbereich arbeiten oft Angestellte aus Osteuropa. Sie kommen zwar selten aus der Ukraine selbst, aber aus den Nachbarländern Polen, Slowakei, Rumänien oder Ungarn.

Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, droht auch dort eine Mobilmachung, meint der Leiter des BVMW-Kreisverbandes Andreas Schreiber. „Dann fehlen hier sehr fähige Arbeitskräfte. Das betrifft nicht nur Hände sondern auch Köpfe.”

Schreiber selbst ist Chef einer Zeitarbeitsagentur im Bereich Gebäudetechnik. Deren Belegschaft besteht zu mehr als der Hälfte aus polnischen Mitarbeitern. Sie fahren übers Wochenende nach Hause zu ihren Familien. Einige hätten vergangene Woche bereits kehrt gemacht, als sich an polnischen Tankstellen ein Treibstoffmangel abzeichnete. Sie hatten Angst, womöglich nicht wieder zurück zur Arbeit nach Deutschland zu kommen. Auch die Sorge vor einer Mobilmachung ist dabei im Hinterkopf – sich plötzlich als Soldat im Krieg wiederzufinden und ohne den Verdienst aus Deutschland die Familie nicht versorgen zu können.

Eine Gefahr, dass Lieferketten wegbrechen könnten, bestehe in der Region wegen der Wirtschaftsstruktur nur bedingt, so Schreiber. Für die meisten Unternehmen dürften die steigenden Energiepreise die größte Herausforderung werden. Spritkosten im Bereich Dienstleistung und Logistik steigen ebenso wie Strom- und Gaspreise für die Produktion. Schreiber spricht für sein Unternehmen, das Monteure in ganz Deutschland einsetzt, von einer Kostensteigerung um 62 Prozent.

Das bestätigt auch Robert Böhm, Geschäftsführer der Universal Bau Mühlhausen GmbH. Bei längerfristigen Altaufträgen könnten die hohen Mehrkosten nicht auf die Auftraggeber umgelegt werden. Durch die derzeit eingeschränkte Logistik zeichnen sich auch Lieferengpässen bei Baustoffen ab. Ein Großteil der Speditionen und Lkw-Fahrer kommt aus Osteuropa.


Mühlhäuser Unternehmen von Sanktionen gegen Russland betroffen

Die Mühlhäuser Schließ- und Sicherungssysteme GmbH, hier Mitarbeiter Tobias Götte und die kaufmännische Geschäftsführerin Mareike Hilke, ist von Sanktionen gegen Russland betroffen. Das Unternehmen fertigt als Zulieferer Teile für den Bahnverkehr.


Die Sanktionen gegen Russland haben bereits Auswirkungen auf das Geschäft der Mühlhäuser Schließ- und Sicherungssysteme GmbH. Der Betrieb ist Zulieferer für einen Großkunden aus Deutschland, der Eisenbahnzüge für Russland herstellt. Die angekündigten Maßnahmen sollen auch die Infrastruktur und den Bahnverkehr treffen, weiß Mareike Hilke, kaufmännische Geschäftsführerin. Zudem hat das Unternehmen einen Partner in Russland, der mit Material der Schließ- und Sicherungssysteme GmbH Produkte fertigt. Die Lieferungen hat das Unternehmen jetzt vorerst einstellen müssen.

Zwar habe man keine Angst um die Versorgungssicherheit mit Strom und Gas, die seit Monaten steigenden Energiekosten werden allerdings auch hier ein zunehmendes Problem.

„Wir haben noch den schweren Rucksack von Corona zu tragen und nun behindert uns der Knüppel Ukraine zwischen den Beinen beim Aufstehen”, formuliert es Andreas Schreiber.

Der BVMW ruft alle Unternehmer auf, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie- und Spritpreise und die Aufhebung der EEG-Umlage zu fordern. „Diesen Schritt müssen alle Betriebe direkt bei ihren politischen Vertretern auf kommunaler, Landes- und Bundesebene einfordern”, appelliert Schreiber. Er sieht die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr – auch, weil Polen den Schritt bereits gegangen ist. Von der Senkung würde letztlich jeder profitieren.

Zur Nutzung fossiler und atomarer Brennstoffe aus Ländern wie Russland oder Frankreich gebe es derzeit keinen Plan B, macht Schreiber die Abhängigkeit deutlich. Viele Alternativen steckten noch in den Kinderschuhen und seien praktisch nicht nutzbar.

„Der Mittelstand erwirtschaftet die Steuergelder für die Region“, sagt Schreiber, „er ist auch der größte und zudem oft einzige Unterstützer lokaler Vereine.” Nur mit Gewinnen sei das möglich, doch die könnten viele Unternehmen derzeit nur noch durch Sparen erzielen. Steigende Kosten auf die Kunden umzulegen, sei nicht mehr möglich.

(Quelle: Auszug aus Thüringer Allgemeine vom 03.03.2022)

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